Neue Leitlinien für das Krisenengagement nötig
Prävention sollte im Bereich des Krisenengagements im Vordergrund stehen - darin waren sich Parlamentarier und Gäste der Sitzung des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ am Montag, 30. Mai 2016 einig. Das öffentliche Expertengespräch unter Vorsitz von Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) beschäftigte sich mit der Frage, wie sich Deutschland im Bereich der zivilen Konfliktbearbeitung besser aufstellen kann.
Ressortübergreifender Ansatz
Die Bundesregierung plant, den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ aus dem Jahr 2004 mit all seinen späteren Dokumenten in ein neues, zeitgemäßes Grundlagendokument zu überführen.
Im Rahmen des Fachgesprächs wurde deutlich, dass ein ressortübergreifender Ansatz unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft hierfür als zielführend angesehen wird.
Erwartungen an Deutschland gestiegen
Rüdiger König vom Auswärtigen Amt, das den Prozess federführend für die Bundesregierung koordiniert, erläuterte die Notwendigkeit eines überarbeiteten Leitbildes in der Krisenbewältigung. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsströme stehe die Bundesregierung vor großen Herausforderungen auf diesem Gebiet.
Seit 2004 sei viel passiert, was eine Weiterentwicklung des konzeptionellen Ansatzes erforderlich mache. Zugleich seien die internationalen Erwartungen an Deutschland bei der Krisenbewältigung und -prävention gestiegen, was auch auf dem World Humanitarian Summit in Istanbul in der vergangenen Woche deutlich wurde.
Grundlagenpapier soll 2017 vorliegen
Ressortübergreifend und unter Einbeziehung der betreffenden Akteure der Zivilgesellschaft wolle man zum Ende des ersten Quartals 2017 neue „Leitlinien ziviles Krisenengagement und Friedensförderung“ – wie der aktuelle Arbeitstitel des Papiers heißt – ausgearbeitet haben. Die Öffentlichkeit soll mittels Blog und Social-Media-Aktivitäten am Erstellungsprozess beteiligt werden.
Die geladenen Fachleute waren sich nicht nur hinsichtlich des vernetzten Ansatzes einig. Unisono betonten alle Experten auch, dass die neuen Leitlinien keinesfalls hinter das Niveau des Aktionsplanes zurückfallen dürfe.
Aktive Rolle von Staat und Gesellschaft gefordert
Natascha Zupan von der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) unterstrich die Bedeutung des zivilen Engagements bei der Krisenbekämpfung. Ein solches benötige einen politischen Rahmen, in dem Staat und Gesellschaft eine aktive Rolle einnehmen müssten.
Dr. Jörn Grävingholt vom Beirat Zivile Krisenprävention wies darauf hin, dass die Leitlinien nicht nur exekutives Tätigwerden im Rahmen der Krisenbewältigung, sondern auch Prävention hinsichtlich der Krisenvermeidung berücksichtigen müssten. Im Kern gehe es darum, Friedenspotenziale zu fördern und Lebenschancen zu verbessern. Darüber hinaus mangele es an instrumentenübergreifenden Wirkungsanalysen. Trotz Königs Ankündigungen zu Blogs und Social Media forderte Grävingholt eine Verstärkung und Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit im Bereich des zivilen Krisenengagements.
Überprüfbare Ziele nötig
Hans Jörg Friedrich, Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD), forderte überprüfbare Zielformulierungen in den neuen Leitlinien. Sie dürften sich nicht nur auf Schwerpunkte beschränken. Einen weiteren Aufbau von Institutionen hält Friedrich nicht für nötig. Es müssten nicht unbedingt zusätzliche Strukturen im Bereich des Krisenengagements entstehen, allerdings sei mehr und bessere Kooperation zwischen den bestehenden Akteuren wünschenswert.
Die konkreten Ziele des zu erarbeitenden Leitbildes lagen auch Christiane Lammers von der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung am Herzen. Sie erhofft sich von dem Grundlagendokument eine klare Aussage, was Krisenengagement bewirken soll, welche Handlungsprinzipien für die Krisenarbeit gelten. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass Erfahrungen aus vergangenen Krisenbewältigungsprozessen berücksichtigt werden.
Schlussendlich waren sich alle Sitzungsteilnehmer einig, dass die Arbeit im Bereich des Krisenengagements solide finanziert sein muss. Die Ausschussvorsitzende Franziska Brantner wies darauf hin, dass man hier in Dekaden denken müsse. (eb/31.05.2016)
Liste der Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft
- Natascha Zupan, Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt)
- Dr. Jörn Grävingholt, Beirat Zivile Krisenprävention
- Winfried Nachtwei, Beirat Zivile Krisenprävention
- Hans Jörg Friedrich, Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD)
- Jürgen Deile, Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD)
- Christiane Lammers, Plattform Zivile Konfliktbearbeitung