Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
Vom 17. März 2022
Gemäß § 44c Absatz 4 des Abgeordnetengesetzes hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 17. März 2022 die Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik wie folgt gefasst:
1. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) ist zuständig für Überprüfungen gemäß § 44c des Abgeordnetengesetzes.
Dem 1. Ausschuss sind die Mitteilungen des Bundesarchivs und sonstige Unterlagen zur Überprüfung eines Mitgliedes des Bundestages unmittelbar zuzuleiten.
Er kann aus seiner Mitte Mitglieder mit der Durchsicht von Unterlagen beauftragen.
Entscheidungen nach § 44c Absatz 2 des Abgeordnetengesetzes, Entscheidungen über Ersuchen um zusätzliche Auskünfte des Bundesarchivs, Entscheidungen über die Beteiligung der oder des Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag (Opferbeauftragten) nach § 1 Absatz 4 Satz 2 des SED-Opferbeauftragtengesetzes und Entscheidungen zur Feststellung des Prüfungsergebnisses trifft der 1. Ausschuss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder.
2. Das betroffene Mitglied kann Einsicht in die beim 1. Ausschuss befindlichen Unterlagen verlangen. Es kann sich einer Vertrauensperson bedienen.
Im Übrigen dürfen Einsicht in die zu den Überprüfungsverfahren geführten Akten des 1. Ausschusses nur die Ausschussmitglieder sowie die mit der Bearbeitung der Vorgänge befassten Sekretariatsmitarbeiter nehmen. Im Fall der Beteiligung an dem Überprüfungsverfahren dürfen auch die oder der Opferbeauftragte sowie die ihr oder ihm beigegebenen, mit der Bearbeitung der Vorgänge befassten Beschäftigten Einsicht in die herangezogenen Unterlagen nehmen.
Bei den Beratungen des 1. Ausschusses zu den Überprüfungsverfahren ist das Zutrittsrecht für Mitglieder des Bundestages auf die ordentlichen Ausschussmitglieder und deren Stellvertreter beschränkt. Der 1. Ausschuss kann im Einzelfall Ausnahmen beschließen.
Der oder die Opferbeauftragte kann zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem SED-Opferbeauftragtengesetz an den Beratungen des 1. Ausschusses teilnehmen.
3. Die Präsidentin oder der Präsident des Bundestages ersucht das Bundesarchiv um Mitteilung von Erkenntnissen aus seinen Unterlagen über ein Mitglied des Bundestages und um Akteneinsicht, falls dieses Mitglied des Bundestages es verlangt.
Sie oder er ersucht das Bundesarchiv auch, falls der 1. Ausschuss konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit oder politischen Verantwortung eines Mitgliedes des Bundestages für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/ AfNS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik festgestellt hat.
Das Mitglied des Bundestages ist über das Ersuchen in Kenntnis zu setzen.
4. Der 1. Ausschuss trifft auf Grund der Mitteilungen des Bundesarchivs sowie gegebenenfalls eines Berichts oder einer Stellungnahme der oder des Opferbeauftragten und auf Grund sonstiger ihm zugeleiteter oder von ihm beigezogener Unterlagen die Feststellung, ob eine hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeit oder eine politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik als erwiesen anzusehen ist.
5. Vor Abschluss der Feststellungen gemäß Nummer 4 sind die Tatsachen dem betroffenen Mitglied des Bundestages zu eröffnen und mit ihm zu erörtern.
Die oder der Vorsitzende des 1. Ausschusses unterrichtet die Präsidentin oder den Präsidenten des Bundestages und die oder den Vorsitzenden derjenigen Fraktion oder Gruppe, der das betroffene Mitglied des Bundestages angehört, über die beabsichtigte Feststellung des 1. Ausschusses.
6. Die Feststellung des 1. Ausschusses über ein Mitglied des Bundestages wird unter Angabe der wesentlichen Gründe als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. In die Bundestagsdrucksache ist auf Verlangen eine Erklärung des betroffenen Mitgliedes des Bundestages in angemessenem Umfang aufzunehmen.