Parlament

Charles III.: Bedrohungen unserer Werte entschlos­sen entgegentreten

Charles III., König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, hat am Donnerstag, 30. März 2023, in einer Ansprache vor dem Deutschen Bundestag „das Bekenntnis zur Freundschaft unserer Länder“ erneuert und deren starke Partnerschaft gewürdigt. Gemeinsam gelte es, wachsam gegenüber Bedrohungen unserer Werte zu sein sowie entschlossen, diesen resolut entgegenzutreten. „Es gibt kaum einen besseren Ort dafür als dieses Gebäude, dessen Steine die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts erzählen“, sagte er auf seiner ersten Auslandsreise als König vor dem Plenum im Reichstagsgebäude. Denn das Gebäude selbst demonstriere nach dem Reichstagsbrand im Jahr 1933, seiner schweren Beschädigung im Jahr 1945 sowie nach dem Umbau in den 90er Jahren durch einen britischen Architekten zum Parlament des wiedervereinigten demokratischen Deutschlands, was beide Länder verbinde. „Die ikonische Glaskuppel ist ein Symbol für die Transparenz und Rechenschaftspflicht der parlamentarischen Demokratie. Von hier aus können die Bürgerinnen und Bürger ihren Politikern tatsächlich bei der Arbeit zusehen“, sagte Charles III. Das sei gelebte Demokratie. 

„Die Bande der Freundschaft erneuern“

Das britische Staatsoberhaupt sprach nicht zum ersten Mal im Reichstagsgebäude. Bereits vor fast drei Jahren, am 15. November 2020, hielt Charles als Prince of Wales in seiner Eigenschaft als Thronfolger eine Rede zur zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Gedenkstunde zu Ehren der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft hatte im Zeichen der deutsch-britischen Freundschaft gestanden. „Es war mir sehr wichtig, 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg an der Seite der Deutschen aller Opfer von Krieg und Tyrannei zu gedenken und als erstes Mitglied meiner Familie an dieser bewegenden Gedenkfeier teilzunehmen“, sagte Charles. Die Einladung damals habe gezeigt, wie weit das Vereinigte Königreich und Deutschland auf dem Weg der Freundschaft und des Friedens gekommen seien.

So erfülle es ihn mit besonderem Stolz jetzt als „König die Bande der Freundschaft zwischen unseren Ländern zu erneuern“. Diese Freundschaft habe bereits der verstorbenen Königin Elisabeth II. viel bedeutet. Ihr erster Besuch habe im Jahr 1965 in einer Zeit stattgefunden, in der der Kontinent noch von tiefen Narben des Krieges und dem Trauma des Konflikts geprägt gewesen sei. Dass die Deutschlandreise seiner Eltern sich als entscheidender Moment in der Versöhnung zwischen beiden Nationen erwiesen habe, sei für beide von großer persönlicher Bedeutung gewesen. Elisabeth II. habe die Versöhnung als enorme Errungenschaft empfunden und mit ihren vielen Besuchen in Deutschland ihren Beitrag dazu leisten wollen. „Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich einen besonderen Platz im Herzen der Deutschen eroberte“, sagte König Charles III.

Charles III.: Geißel des Krieges zurück in Europa

Seit seinem letzten Besuch sei die Geißel des Krieges jedoch zurückgekehrt nach Europa. „Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat unvorstellbares Leid über so viele unschuldige Menschen gebracht. Zahllose Leben wurden zerstört; Freiheit und Menschenwürde wurden brutal mit den Füßen getreten. Die Sicherheit Europas ist ebenso bedroht wie unsere demokratischen Werte“, sagte er. Jedoch tatenlos zugesehen habe die Welt nicht: „Wir sind erschüttert von der furchtbaren Zerstörung. Aber wir können Mut schöpfen aus unserer Einigkeit - zur Verteidigung der Ukraine, des Friedens und der Freiheit.“ 

Deutschland und das Vereinigte Königreich hätten eine wichtige Führungsrolle übernommen. „Als größte europäische Geber für die Ukraine haben wir entschlossen reagiert und Entscheidungen getroffen, die früher vielleicht unvorstellbar gewesen wären. Der Entschluss Deutschlands, der Ukraine so große militärische Unterstützung zukommen zu lassen, ist überaus mutig, wichtig und willkommen“, sagte das britische Staatsoberhaupt.

Existenzielle Herausforderung des Klimawandels

Konfrontiert mit so vielen gemeinsamen Herausforderungen würden das Vereinigte Königreich und Deutschland eine Führungsrolle zur Sicherung der gemeinsamen Zukunft übernehmen. Beide Länder seien heute die größten Produzenten von Offshore-Wind in Europa. Beiderseits werde der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft vorangetrieben, „die unsere Zukunft transformieren könnte“. Solche Innovationen seien unverzichtbar, um die alle betreffende, existenzielle Herausforderung des Klimawandels und der Erderwärmung zu bewältigen. Diese wichtige Partnerschaft zwischen beiden Ländern beruhe auf dem Können, Engagement und Einfallsreichtum unzähliger Menschen in Deutschland und im Vereinigten Königreich. 

Sein Besuch gelte nicht zuletzt auch dem feierlichen Gedenken an der Seite der Menschen in Deutschland. In Hamburg werde er am Denkmal für die Kindertransporte, die vor 85 Jahren mehr als 10.000 jüdische Kinder vor dem Nationalsozialismus retteten und ihnen eine sichere Reise in ein neues Leben in Großbritannien ermöglichten, seinen Respekt zollen. Und gemeinsam werde auch der Opfer der Bombardierung von Hamburg im Jahr 1943 durch die Alliierten gedacht. „Aus der Vergangenheit zu lernen, ist unsere oberste Pflicht“, sagte der König. „Gemeinsam müssen wir unseren Menschen das Leben in Sicherheit und Wohlstand ermöglichen, das sie verdienen.“ Die gemeinsame Vergangenheit und die Verheißungen der gemeinsamen Zukunft würden nichts Geringeres verlangen, als unermüdlich nach einer besseren Zukunft zu streben.

Bas: Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hatte zuvor die engen parlamentarischen Beziehungen und die enge Zusammenarbeit beider Regierungen gewürdigt. „Großbritannien und Deutschland treten gemeinsam für eine regelbasierte Ordnung ein“, sagte Bas. „Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine in ihrem Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung. Wir teilen gemeinsame Werte. Und das Interesse, die Herausforderungen unserer Zeit entschlossen anzugehen“, sagte die Bundestagspräsidentin.

Bärbel BAs
Porträtaufnahme von Bärbel Bas hinter dem Rednerpult im Plenarsaal des Bundestages

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas würdigte die engen parlamentarischen Beziehungen beider Länder. (© DBT/Thomas Imo/photothek)

Sie hieß im Namen des Deutschen Bundestages den König und die Königin-Gemahlin herzlich willkommen: „Heute sprechen Sie vor dem Deutschen Bundestag als König und als Repräsentant einer der ältesten Demokratien der Welt“, sagte Bärbel Bas und betonte ebenfalls die gemeinsame Bedeutung des Reichstagsgebäudes. „Dieses Parlamentsgebäude symbolisiert unsere Freundschaft in besonderer Weise“, sagte sie. Denn es sei ein britischer Architekt gewesen, der das Reichstagsgebäude umgebaut habe. Heute sei Lord Norman Fosters Kuppel das Wahrzeichen des Deutschen Bundestags.

„Enge Verbündete und vertrauensvolle Partner“

Bas erinnerte auch daran, dass die deutsch-britische Geschichte im 20. Jahrhundert eine Geschichte der Extreme gewesen sei. Großbritannien habe einen unverzichtbaren und großen Beitrag zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus geleistet. „Dafür sind wir zutiefst dankbar“, sagte die Bundestagspräsidentin. Unvergessen bleibe auch, dass Großbritannien ein Zufluchtsort vieler Verfolgter war. In den Wochen und Monaten nach dem Novemberpogrom 1938 hatten die Briten Tausende jüdische Kinder aufgenommen. „Sie waren oft die Einzigen in ihren Familien, die überlebten.“

Nach dem Krieg habe Großbritannien wiederum die Aufnahme der Bundesrepublik in die westliche Gemeinschaft unterstützt und die Demokratie gefördert. Großbritannien sei den Deutschen zum Freund geworden und habe die Wiedervereinigung unterstützt. „Das vergessen wir nie“, sagte Bärbel Bas. Die Bundestagspräsidentin erinnerte mit „großem Respekt“ an Königin Elisabeth II., die sich Zeit ihres Lebens für die Aussöhnung „unserer Länder eingesetzt“ habe. Großbritannien und Deutschland seien enge Verbündete und vertrauensvolle Partner auch nach der Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen.

Nirgendwo sei das so dringlich wie bei der existenziellen Aufgabe, für die sich auch Charles III. einsetze: den Kampf gegen den Klimawandel und für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Diese gemeinsame Verantwortung für die Zukunft habe der König drei Jahre zuvor in seiner Rede zum Volkstrauertag 2020 betont, indem er die deutsch-britische Zusammenarbeit als eine unverzichtbare Kraft für das Gute in der Welt bezeichnet hatte. „Heute brauchen wir diese Kraft mehr denn je“, schloss die Bundestagspräsidentin ihre Rede. (eis/30.03.2023)