Beschränkte Ansprüche für EU-Ausländer
Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung geplante Einschränkung des Anspruchs auf Grundsicherung für EU-Ausländer stößt bei Experten auf Zustimmung ebenso wie auf Ablehnung. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales deutlich. Der dabei diskutierte Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/10211) sieht unter anderem vor, EU-Ausländern erst nach fünf Jahren „eingetretener Verfestigung des Aufenthaltes“ in Deutschland einen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Sozialhilfe zuzugestehen. Er gilt als Reaktion auf Urteile des Bundessozialgerichts (BSG), die EU-Ausländern einen Anspruch auf Sozialhilfe entsprechend dem SGB XII nach sechsmonatigem Aufenthalt in Deutschland in Deutschland zugebilligt haben.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber (BDA) begrüßte ebenso wie der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städtetag die geplante Neuregelung. Im Interesse der Akzeptanz der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU sei es notwendig, Missbrauchsmöglichkeiten einen Riegel vorzuschieben, sagte BDA-Vertreterin Christina Ramb. Zugleich forderte sie, der Zugang zu Sozialleistungen nach fünfjährigem Aufenthalt in Deutschland sollte nicht voraussetzungslos möglich sein. Nach Ansicht der BDA solle nur derjenige Zugang haben, der innerhalb der ersten fünf Jahre mindestens vier gearbeitet hat.
Vertreter von Landkreistag und Städtetag begrüßten, dass Personen, die sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhielten, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sein sollen. Zugleich forderte die Landkreistags-Vertreterin Irene Vorholz, den Umfang der Erwerbstätigkeit, der für eine SGB II-Leistungsberechtigung erforderlich ist, näher zu bestimmen. Anderenfalls würde bereits ein Minijob von 50 Euro ausreichen, um ergänzende Leistungen nach dem SGB II zu erhalten.
Die Einzelsachverständigen Franz Wilhelm Dollinger und Andy Groth bewerteten die Regelung als vereinbar mit dem Unionsrecht. Es gebe im Unionsrecht keinen Anspruch auf das Hereinwachsen in Sozialhilfesysteme, sagte Dollinger, der zugleich von „überschaubaren verfassungsrechtlichen Risiken“ sprach.
Ingo Nürnberger, Sozialdezernent der Stadt Bielefeld, nannte den Gesetzentwurf „im Grundsatz sachgerecht“. Es sei widersinnig, erwerbsfähige EU-Bürger in das SGB XII-System „abzuschieben“, in dem so gut wie keine aktivierenden arbeitsmarktpolitischen Leistungen vorgesehen seien. Die BSG-Urteile hätten aber genau dies bewirkt, sagte Nürnberger. Skeptisch zeigte er sich, was die praktische Wirkung des Gesetzentwurfes angeht, da noch immer ein Minijob ausreichend sein soll, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten. Vor diesem Hintergrund müssten die Jobcenter ausreichende Instrumente und Ressourcen in die Hand bekommen, um die EU-Ausländer, die einen Minijob haben und ergänzende Leistungen empfangen „zu fordern und zu fördern“, sagte Nürnberger.
Eine klare Ablehnung erfuhr das Vorhaben der Bundesregierung durch Claudius Voigt vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Voigt sprach von einem Tabubruch. Man wolle die Betroffenen aushungern, kritisierte er. Es sei nicht akzeptabel, Menschen, die sich legal in Deutschland aufhalten, fünf Jahre lang von existenzsichernden Sozialleistungen auszuschließen. Dies sei sozialpolitisch fatal, weil es zur Verelendung führe und am Ende den Kommunen teurer komme. Der Gesetzentwurf sei aber auch grundgesetzwidrig, weil er eine „migrationspolitische Relativierung der Menschenwürde“ zur Folge hätte, sagte Voigt.
Gleicher Ansicht war Katharina Stamm von der Diakonie Deutschland. Eine auf fünf Jahre ausgeweitete Vorenthaltung des sozio-kulturellen Existenzminimums für sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltende Menschen und deren Angehörige stelle die deutsche Sozialstaats- und Wertordnung grundlegend in Frage, sagte Stamm. Fehlende Existenzsicherung dränge zudem hilfebedürftig gewordene Unionsbürger in prekäre Situationen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und verhindere gesellschaftliche Integration. Dies bereite den Nährboden für Lohndumping, Arbeitsausbeutung und Prostitution bis hin zu Menschenhandel, betonte die Diakonie-Vertreterin.
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