Oettinger: Brauchen digitalen Binnenmarkt
Berlin: (hib/JOH) Der designierte EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger (CDU), sieht in der Vollendung des digitalen Binnenmarktes ein zentrales Ziel seiner Amtszeit. Es gebe in der Europäischen Union einen „nahezu perfekten Binnenmarkt“ für Autos, Weine oder Hüte, sagte der bisherige Energiekommissar in einer Sondersitzung des Europaausschusses am Donnerstagabend. Jedoch unterliege die digitale Agenda noch immer „ziellos“ der nationalen Regulation. Dabei kenne Digitalität keine nationalen Gebietsgrenzen. Auch Daten könne man nur gemeinsam in Europa schützen.
Für jeden Bürger in der EU müsse gelten: gleicher Datenschutz, gleiche Kosten, gleiche Angebote, betonte Oettinger. Er kündigte zudem an, den Ausbau der digitalen Infrastruktur in der EU beschleunigen zu wollen. „Wir brauchen in allen Mitgliedsländern eine einigermaßen gleiche Ausbaugeschwindigkeit für die digitalen Netze“, so der Kommissar.
Die zunehmende Digitalisierung der Alltagswelt werfe außerdem wichtige Fragen auf. Was passiere etwa, wenn Google irgendwann Autos baue und die Deutschen nur noch das Aluminium oder die Polster beisteuern?, fragte Oettinger. „Die digitale Entwicklung zielt auf unsere Wertschöpfung, auf den Kern unserer Realwirtschaft“, warnte er. Hier wolle er sich als zuständiger Kommissar für den Standort Deutschland stark machen.
Der CDU-Abgeordnete Matern von Marschall fragte, ob die Kreativwirtschaft, darunter Buch- oder Musikverlage, in Zukunft überhaupt noch nachhaltige wirtschaftliche Erträge erzielen könne. Die europäische, sehr viel kleinteiligere Wirtschaft sei durch Firmen wie Google oder Amazon „dramatischen Risiken“ ausgesetzt, urteilte er. Es drohe eine Aushöhlung des Urheberrechts und der Strukturen der europäischen Verlagswirtschaft.
Auch Oettinger bezeichnete das Urheberrecht, das in seinen künftigen Aufgabenbereich fällt, als eines seiner schwierigsten Arbeitsfelder. Es gehe darum, eine Balance zu finden zwischen dem Interesse der Verbraucher, möglichst freien Zugang zu Inhalten zu haben, und der Notwendigkeit, dass Schriftsteller, Drehbuchautoren oder Musiker ihre Produkte vermarkten und von ihnen leben können. Oettinger kündigte an, einen Mittelweg vorschlagen zu wollen und bis Mitte des kommenden Jahres einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen.
Die Probleme der Verlagswirtschaft beobachtet Oettinger ebenfalls „mit großer Sorge“. Zwar werde es auch in Zukunft noch Bücher geben, aber angesichts des Aufkommens von E-Books nicht mehr in ihrer gewohnten Form. Mit Blick auf Büchereien, Buchhändler, Stadtbibliotheken oder die Buchpreisbindung stehe die Politik vor schwierigen Aufgaben.
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) fragte den Kommissar, inwieweit er in Brüssel nicht nur die Interessen der deutschen digitalen Wirtschaft, sondern auch die der Verbraucher vertreten wolle und ob er die Europäische Datenschutzgrundverordnung voranbringen werde, für die sich das Europäische Parlament stark engagiere.
Oettinger sicherte zu, dass er „so viele Verbraucherrechte wie möglich wahren wolle“, etwa beim Roaming oder im Bereich Netzneutralität. Die Globalisierung der Telekommunikation sei jedoch in vollem Gange, betonte er. Europäische Firmen müssten im Wettbewerb mit den „Giganten“ aus Asien und den USA mithalten können, gab der Kommissar zu Bedenken.
Er verwies darauf, dass die Europäische Datenschutzgrundverordnung dem Europäischen Rat bereits seit zwei Jahren vorliege. Das Europäische Parlament habe sein Votum bereits abgegeben. Der Rat dürfe dieses Thema nun nicht länger vertagen. „Wir müssen alles tun, damit die nationalen Regierungen zur Europäisierung des Datenschutzrechts bereit sind“, betonte Oettinger, der auch die Bundesregierung für ihre „bisher eher zaghafte Haltung“ kritisierte. Eine Entscheidung über die Verordnung solle in etwa einem halben Jahr fallen, sicherte der Kommissar zu.
Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Axel Schäfer, inwieweit Oettinger in der neuen EU-Kommission die Gemeinschaftsmethode voranbringen wolle, antwortete dieser, die Gemeinschaftsmethode müsse die Regel in der europäischen Arbeit werden, so wie dies in Deutschland der Fall sei. „Die EU-Kommission muss letztendlich die europäische Regierung werden, der Rat der europäische Bundesrat und das Europäische Parlament der Deutsche Bundestag.“ Die EU sei auf dem Weg dahin, zeigte sich Oettinger zuversichtlich.
Die neue EU-Kommission unter Führung von Jean-Claude Juncker soll am 1. November ihre Arbeit aufnehmen. Vorher muss jedoch das Europäische Parlament der Kommission als Ganzes zustimmen. Dann wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt.
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