Experten nehmen zu E-Sport unterschiedliche Haltungen ein
Sollte das Fußballspielen auf einer Konsole dem auf einem Sportplatz gleichgestellt sein? Um diese und andere Fragen geht es in der Diskussion um eine Anerkennung des sogenannten E-Sports. Um hier zu Antworten zu gelangen, hat der Sportausschuss des Deutschen Bundestags am Mittwoch, 20. Februar 2019, in einer öffentlichen Anhörung unter Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD) und Eberhard Gienger (CDU/CSU) verschiedene Sachverständige befragt. Ergebnis des Gesprächs: Die Haltungen differieren stark.
Experte: Junge, dynamische, digitale Sportbewegung
So plädierte Hans Jagnow, Präsident des eSport-Bunds Deutschland, für eine Gleichbehandlung. E-Sport sei eine „junge, dynamische, digitale“ Sportbewegung, für die sich Millionen von Menschen begeistern würden. Diese „Athleten“ würden „motorische, reaktive, strategische und kommunikative Leistungen“ zeigen. Drei bis vier Millionen würden in Deutschland E-Sport betreiben, unter diesen Bereich fielen sowohl Strategie- und Sportspiele sowieso Shooter.
Jagnow sagte, die Regierung solle gemäß der Vereinbarung in ihrem Koalitionsvertrag die Rahmenbedingungen schaffen: Dazu gehöre etwa eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit und eine Anerkennung der E-Sportler als Berufssportler.
„Stigmatisierung des E-Sports beenden“
Dem schloss sich Ralf Reichert, Gründer des E-Sport-Unternehmens ESL, an. Er betonte in seinem Statement, dass er als Jugendlicher mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, Computer- und Videospiele seien Zeitverschwendung.
Daher sei es heute sein Ziel, Kindern und Jugendlichen „ein Zuhause“ und einen Ort zu geben, an dem sie „Anerkennung“ erfahren könnten. Die Politik solle die „Stigmatisierung“ des E-Sports beenden.
Unterscheidung in „virtuelle Sportarten“ und „eGaming“
Für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sagte dessen Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker, der Verband und seine Mitglieder hätten lange um die Frage gerungen, ob E-Sport „eigentlich Sport“ sei und wie man mit dem Phänomen umgehen solle. Beim E-Sport stehe der „unmittelbare Wettkampf“ im Mittelpunkt. Es gehe bei einer Bewertung nicht nur um die Frage, ob beim E-Sport motorische Aktivitäten ausgeübt würden, sondern auch um dessen Organisation. Geschäftsmodell und seinen Beitrag zum Gemeinwohl.
Der DOSB habe sich in eine Unterscheidung zwischen „virtuellen Sportarten“ und „eGaming“ entschieden; letzteres sein kein Sport „im eigentlichen Sinne“. Rücker unterstrich, man sehe im E-Sport vor allem eine Möglichkeit, junge Menschen für Sport zu begeistern und in Vereine zu holen.
Chance für Jugendliche mit Behinderungen
Der Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbands Lars Pickardt führte aus, man sehe im E-Sport große Chancen insbesondere für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Man sehe auch Anwendungsmöglichkeiten für den Rehasport und den Bereich der Prävention. Dennoch gebe es auch große Risiken wie etwa das Cybergrooming: So würden Chatfunktionen von Spielen von Erwachsenen genutzt, Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen.
Gleichzeitig bestehe die Gefahr, dass junge Menschen sich über versteckte Kosten in den Spielen verschuldeten. Was grundsätzlich überhaupt nicht zu „den Werten des Sports“ passe, seien das Verletzen oder Töten von Menschen, wie es bestimmte Shooter beinhalteten. Für die Athleten innerhalb des DOSB sagte Marc Zwiebler, es gebe noch keine eindeutige Haltung: Aus seiner Sicht seien zwischen traditionellem und E-Sport die „Gemeinsamkeiten größer als die Unterschiede“. Athleten aus beiden Welten stünden unter großem Wettkampfdruck und hätten ein Berufsrisiko.
Expertin: Sport sollte sich von E-Sport abgrenzen
Ausgesprochen kritisch äußerte sich dagegen die Sportwissenschaftlerin Prof. Dr. Carmen Borggrefe von der Universität Stuttgart. Sie konstatierte immense Unterschiede zwischen traditionellem und E-Sport: E-Sport sei „in dem Sinne kein Sport“. So seien die körperbezogenen Handlungen beim Bedienen eines Controllers nicht sportartbestimmende motorische Aktivitäten – diese Handlungen – wie etwa das Klicken einer Taste – erhielten ihren Sinn erst im virtuellen Geschehen.
Es sei „kontraproduktiv“, die Digitalisierung des Sports zu befördern – auch und gerade angesichts der Probleme, dass Jugendliche häufig übergewichtig seien und sich zu wenig bewegten. Der herkömmliche Sport solle sich, so Borggrefe, vom E-Sport „konsequent abgrenzen“.
„E-Sport ist eher dem Spiel als dem Sport zuzuordnen“
Der Leipziger Sportpsychologe Junior-Prof. Dr. Thomas Wendeborn kam zu dem Schluss, der E-Sport sei „eher dem Spiel als dem Sport zuzuordnen“. Grundsätzlich habe die Festlegung im Koalitionsvertrag Fakten geschaffen, denen man sich jetzt stellen müsse. Nichts habe den organisierten Sport in den letzten Jahren so „irritiert“ wie die Diskussion um den E-Sport.
Die Unterscheidung des DOSB in virtuellen Sport und eGaming sei gut. Grundsätzlich müsse sich der E-Sport unter Federführung des ESBD auch Fragen stellen, welche Impulse für einen aktiven und bewegungsreichen Lebensstil gesetzt werden könnten. (suk/20.02.2019)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Veronika Rücker, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
- Christian Sachs, Leiter des Hauptstadtbüros des Deutschen Sports
- Lars Pickardt, Vizepräsident des Deutschen Behindertensportverbandes e.V. (DBS)
- Annett Chojnacki-Bennemann, Leiterin des Hauptstadtbüros des Deutschen Behindertensportverbandes e.V. (DBS),
- Marc Zwiebler, Athletenvertreter im Deutschen Olympischen Sportbund
- Prof. Dr. Carmen Borggrefe, Universität Stuttgart, Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft
- Hans Jagnow, Präsident eSport-Bund Deutschland
- Junior-Prof. Dr. Thomas Wendeborn, Universität Leipzig, Sportpsychologie und Sportpädagogik