Karl A. Lamers hofft auf eine Stärkung der Partnerschaft in der Nato
Eine Stärkung der Partnerschaft in der Nato erhofft sich Prof. h. c. Dr. Karl A. Lamers vom Transatlantischen Parlamentarischen Forum, das vom 11. bis 13. Dezember 2017 in Washington stattfindet. Zur US-Forderung nach höheren Beiträgen seitens der europäischen Bündnispartner sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete im Interview, dass diese Staaten bereits eine Trendwende hin zu höheren Verteidigungsausgaben eingeleitet hätten. Lamers leitet die Bundestagsdelegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato, die in Kooperation mit dem Atlantikrat der USA und der „National Defense University“ seit 2001 das Forum organisiert. Rund 100 Delegierte der Parlamentarischen Versammlung der Nato kommen in Washington zusammen, um aus erster Hand Informationen über die politischen Gegebenheiten in den USA zu erhalten und darüber zu diskutieren. Sie lassen sich von Regierungsvertretern, Politologen und Kongressmitgliedern über die Politik in den USA informieren. Geplant sind unter anderem Redebeiträge von Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis. Bei den elf Gesprächsrunden dreht es sich um die ganze Bandbreite US-amerikanischer Politik: Außenpolitik in einer Welt im Wandel, Naher Osten, USA – China, Beziehung zu Russland, Umweltpolitik, Agenda für das Jahr 2018 und die Prioritäten der US-Verteidigungspolitik. Das Interview im Wortlaut:
Herr Professor Lamers, welchem Ziel dienen die Begegnungen in den USA?
Das „Transatlantische Parlamentarische Forum“ wurde 2001 zur Förderung und Vertiefung des Dialogs innerhalb der Parlamentarischen Versammlung der Nato gegründet. Mit US-amerikanischen Entscheidungsträgern, mit hochrangigen Vertretern verschiedener Think Tanks und Ministerien sowie mit Kongressabgeordneten diskutieren wir offen über eine Bandbreite an Themen, die für die transatlantischen Beziehungen bedeutsam sind. Ich bin überzeugt, dass diese intensiven Beratungen unsere Partnerschaft weiter stärken.
Handelt es sich um eine Plattform für folgenlose Debatten? Oder wirkt man in die Nato hinein?
In erster Linie geht es um einen Dialog. Die Begegnungen tragen dazu bei, dass wir nicht über-, sondern miteinander reden. Viele Mitglieder des Nato-Parlaments gehören in ihren nationalen Parlamenten den Ausschüssen für Verteidigung oder Außenpolitik an. Wenn in diesen Gremien auch die Positionen und Forderungen unseres wichtigsten Verbündeten berücksichtigt werden, dann stärkt dies das Bündnis. Die Themen sind sehr komplex. Dieses Mal werden wir unter anderem über die Lage im Mittleren Osten, die Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie der USA, die Beziehungen zwischen Washington und Peking oder über die US-Handelspolitik diskutieren.
Mit US-Präsident Donald Trump drohte sich die Kluft zwischen den USA und den europäischen Nato-Ländern zu vertiefen. Wie steht es um diese Beziehungen?
Ein Dauerthema ist die gerechtere Lastenteilung in der Allianz. Trump hat die bereits von seinem Vorgänger Obama erhobene Forderung nach höheren Beiträgen seitens der europäischen Verbündeten besonders betont. Diese Staaten haben aber bereits eine Trendwende hin zu höheren nationalen Verteidigungsausgaben eingeleitet. Trump seinerseits hat zusätzlich 1,4 Milliarden Dollar für die bisher mit 3,4 Milliarden Dollar ausgestattete „European Reassurance Initiative“ zugesagt. Für mich ist dies ein Zeichen für die Treue der USA zum Bündnis. Dennoch ist die Sorge zu spüren, Washington könne sich immer weiter von der internationalen Bühne abwenden. Ein bitteres Beispiel ist der Rückzug der USA aus dem Klimaschutzabkommen. Gegenüber unseren US-Partnern weisen wir deshalb auf die Bedeutung der europäischen Integration, des Multilateralismus und einer regelbasierten Globalisierung hin.
Nordkorea, IS, Russland: Ziehen die Nato-Länder bei solch heißen Themen an einem Strang?
Im Fall Nordkorea kann die Allianz kaum etwas zur Konfliktlösung beitragen, das ist Aufgabe der Uno. Bei der US-geführten Anti-IS-Koalition ist die Nato einer von 68 Partnern. Seit 2014 wurden mehr als 65.000 Angehörige der irakischen Sicherheitskräfte geschult und in den von der Terrormiliz IS beherrschten Gebieten über zwei Millionen Menschen befreit. Mit Luftschlägen konnte die Koalition die von den IS-Terroristen kontrollierten Regionen im Irak um 70 Prozent und in Syrien um 51 Prozent verkleinern. Trotz dieser Erfolge treten auch Spannungen auf. Die türkische Politik wendet sich gegen die im Norden Syriens durch eine überwiegend aus Kurden bestehende Streitmacht erzielten Gebietsgewinne. Wir sind uns einig, dass nach einem militärischen Sieg über die Terrormiliz die betroffenen Länder stabilisiert werden müssen. Die Nato wird daher eine für alle Bündnispartner akzeptable Strategie finden müssen.
Mit zwei neuen Hauptquartieren in Europa und der vermehrten Entwicklung von Cyberwaffen setzt die Nato ein Zeichen gegenüber Moskau. Findet diese Politik der Stärke querbeet in der Allianz Unterstützung?
Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Aggression gegen die Ukraine haben den Bemühungen der Nato um eine echte strategische Partnerschaft mit Russland ein jähes Ende gesetzt. Innerhalb des Bündnisses herrscht ein breiter Konsens, die Sanktionen gegenüber Moskau beizubehalten. Das Nato-Parlament plädiert für eine Rückbesinnung der Allianz auf ihre Kernaufgabe der kollektiven Verteidigung, nachdem man sich zusehends auf Krisenmanagement verlegt hatte. So will das Bündnis Geschlossenheit gegenüber Russland demonstrieren. Wir sind offen für den Dialog mit Moskau, es gibt ja auch Kontakte im Nato-Russland-Rat. Wir wollen diese Gespräche allerdings aus einer Position der Stärke und der Wachsamkeit führen. Es gilt, Abschreckung und Verteidigung mit Dialog zu koppeln.
Setzen Sie Hoffnungen in den Auftritt von US-Außenminister Rex Tillerson und von Verteidigungsminister James Mattis im Dezember?
Ich hoffe, dass sie auf die Bedeutung kollektiver Sicherheit für die USA eingehen und ihre hohe Wertschätzung für das Bündnis in einer unsicheren Welt ausdrücken. Anerkennung finden sollte die von den europäischen Nato-Staaten eingeleitete Trendwende bei den Verteidigungsausgaben. Wünschenswert wäre die Aussage, dass die Nato und damit auch die USA von den verstärkten Bemühungen der europäischen Sicherheitspolitik profitieren werden.
(kos/01.12.2017)