AfD-Wahlerfolg prägt die Generalaussprache
Unter dem Eindruck der Ergebnisse der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern haben Bundesregierung und alle Fraktionen des Deutschen Bundestages vor einem weiteren Zulauf zu Rechtspopulisten gewarnt. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) erklärte in der Generalaussprache des Parlaments zum Bundeshaushaltsplanentwurf 2017 (18/9200) am Mittwoch, 7. September, die „Alternative für Deutschland“ (AfD) bedeute nicht nur eine Herausforderung für die CDU: „Sie ist eine Herausforderung für alle in diesem Hause.“ Die Kanzlerin, die an ihrer Flüchtlingspolitik festhalten will, rief genauso wie Redner der anderen Fraktionen dazu auf, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.
Merkel kündigt Maßnahmen zur inneren Sicherheit an
Dafür dürften sich die Parteien aber nicht der Sprache der AfD annähern, warnte die Kanzlerin. „Wenn auch wir anfangen, in unserer Sprache zu eskalieren, gewinnen nur die, die es immer noch einfacher und klarer ausdrücken können.“ Wählerbeschimpfungen würden nichts bringen. Merkel mahnte, wenn die Parteien untereinander nur einen kleinen Vorteil suchen würden, um über den Wahlsonntag zu kommen, „gewinnen nur die, die auf Parolen und scheinbar einfache Antworten setzen“.
Die Kanzlerin bekannte sich erneut zu ihrer Flüchtlingspolitik und erklärte, „die Situation heute ist um ein Vielfaches besser als vor einem Jahr. Aber natürlich bleibt viel zu tun.“ Sie kündigte weitere Maßnahmen zur Verbesserung der inneren Sicherheit an, „weil “nicht jeder Flüchtling in guter Absicht kommt„, sagte jedoch auch, der Terrorismus sei “kein neues Problem, das erst mit den Flüchtlingen gekommen ist„.
Opposition greift Ministerpräsident Horst Seehofer an
Auch Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) erklärte zum Wahlergebnis, “wir haben alle hier im Haus ein Problem, und niemand sollte versuchen, anderen das zuzuschieben„. In besonderer Weise sei jedoch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verantwortlich, der zu dem Ergebnis in Mecklenburg-Vorpommern “wirklich sehr viel beigetragen„ habe.
Auch Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) betonte die Verantwortung des CSU-Vorsitzenden, der das Geschäft der Rechten übernehme. “Wer jeden Blödsinn der Populisten nachplappert, der muss sich nicht wundern, wenn sie dann gewählt werden.„ Außerdem sei es falsch, von einem durch die Flüchtlinge überforderten Volk zu sprechen: “Nicht die Menschen in unserem Land sind überfordert, sondern Sie mit ihrer chaotischen Regierung sind es.„
Koalition setzt auf handlungsfähigen starken Staat
Die Fraktionsvorsitzenden der Koalition, Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD), gingen ebenfalls auf das Landtagswahlergebnis ein. Oppermann sagte, alle im Bundestag vertretenen Parteien hätten verloren. Er sei froh, dass in der Debatte nicht der übliche Streit geführt werde, wer am meisten oder am wenigsten verloren habe, “denn Verlierer dieser Entwicklung werden nicht einzelne demokratische Parteien sein, sondern allenfalls die Demokratie insgesamt„. Eine Demokratie könne nur funktionieren, wenn die Menschen mit Respekt miteinander zusammenleben und der Staat den inneren Frieden garantiere. Wenn eine Partei wie die AfD, die gezielt Stimmung gegen Ausländer mache, nun schon zum zweiten Mal mit über 20 Prozent in ein Parlament einziehe, “dann ist das eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben in unserem Land„.
Oppermann bekannte sich zu einer offenen, hilfsbereiten und toleranten Gesellschaft, “aber das geht hur in einem Staat, der verbindliche Regeln setzt, die für alle gelten und die er auch durchsetzt.„ Den Rechtspopulisten könne am schnellsten das Wasser abgegraben werden, indem “wir mit einem handlungsfähigen starken Staat für soziale und öffentliche Sicherheit sorgen„. Kauder sagte, es werde nicht gelingen, diese Kräfte wieder aus dem aktiven Parlamentsgeschehen zu drängen, “wenn wir uns gegenseitig Vorhaltungen machen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen„. Es sei nicht richtig, wenn die Linkspartei behaupte, bei der inneren Sicherheit sei nichts geschehen, sondern nur gespart worden. Auch die Armenien-Resolution des Bundestages werde von der Bundesregierung nicht in Frage gestellt, wie die Grünen behaupten würden.
Linke: Die große Koalition ist “de facto am Ende„
Zum Zustand der Regierung sagte Bartsch, ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sei die Große Koalition “de facto am Ende„. Auch Göring-Eckardt sprach von einer “Koalition des Chaos„, in der jeder gegen jeden abreite. Bartsch kritisierte, die Verunsicherung in Deutschland sei noch nie so groß gewesen. Der soziale Zusammenhalt durch eine “visionslos„ regierende Regierung gefährdet worden. “Deutschland wird nicht von Zuversicht regiert, sondern Deutschland wird von Angst regiert.„
Ernsthafte Reformvorhaben gebe es nicht mehr, sagte Bartsch. Er kritisierte die hohen deutschen Rüstungsexporte. Außerdem kritisierte er, dass sich die Bundesregierung durch den Flüchtlingspakt in eine Abhängigkeit von der Türkei begeben habe. Mit dem Flüchtlingsdeal und mit den Kniefällen vor dem türkischen Präsidenten Erdoğan hätten sich Europa und Deutschland erpressbar gemacht. Göring-Eckardt sprach von “Kriechen vor Herrn Erdoğan„.
Keine neuen Schulden
Dagegen hatte die Kanzlerin das Abkommen mit der Türkei massiv verteidigt und als bespielhaft herausgestellt: “Das Abkommen mit der Türkei ist ein Modell für weitere solche Abkommen„, sagte sie. Seit dem Abkommen mit der Türkei sei so gut wie kein Flüchtling mehr in der Ägäis ertrunken. Aber wenn die Türkei Menschenrechte verletze, “dann wird das beim Namen genannt„.
Zum Haushaltsentwurf erklärte sie, zum dritten Mal komme man ohne Schulden aus. Die Regierung habe die guten Einnahmen genutzt, um die soziale Sicherheit zu stärken. Merkel versicherte: “Deutschland wird Deutschland bleiben – mit allem, was uns daran lieb und teuer ist.„ (hle/07.09.2016)