Thomas Jarzombek: Netzausbau wird billiger
Bis 2018 kann in Deutschland eine Internetübertragungsrate von 50 Mbit/s flächendeckend erreicht werden. Dies betont der netzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundesfraktion, Thomas Jarzombek, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ am Dienstag, 17. Mai 2016. Um dieses Ziel auch in den ländlichen Regionen zu erreichen, sei eigens ein Förderprogramm mit 2,7 Milliarden Euro aufgelegt worden. Zudem erwartet er sinkende Kosten beim Netzausbau durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze. Das Interview im Wortlaut:
Herr Jarzombek, Ende 2018 soll es in Deutschland flächendeckend eine Internetübertragungsrate von mindestens 50 Megabit pro Sekunde geben. So sieht es die digitale Agenda der Bundesregierung vor. Ist das Ziel aus Ihrer Sicht zu schaffen?
Es ist ein ambitioniertes Ziel, vor allem in den ländlichen Bereichen. In den Städten haben wir die 50 Mbit/s schon lange erreicht und sind auf dem Sprung zu Netzen, die noch in diesem Jahr die 1.000 Mbit/s erreichen werden. Aber es gibt im ländlichen Bereich noch 10 bis 20 Prozent der Haushalte, die deutlich schlechter versorgt sind. Um die zu unterstützen, haben wir ein großes Förderprogramm mit 2,7 Milliarden Euro aufgelegt. Damit soll an den Stellen geholfen werden, an denen es der Markt allein nicht richtet.
Die Bundesregierung hat nun einem Gesetzentwurf vorgelegt, um die Kosten des Netzausbaus zu beschränken, die zu 80 Prozent aus Tiefbauarbeiten erwachsen. Laut Entwurf sollen existierende passive Netzinfrastrukturen für den Ausbau mitgenutzt werden. Was ist darunter zu verstehen?
Passive Netzinfrastrukturen sind beispielsweise Kabelschächte. Um deren Nutzung wird seit Jahren gestritten. Ein Beispiel ist der Hindenburgdamm, über den man mit dem Zug auf die Insel Sylt fahren kann. Dort finden sich auch Kabelschächte, durch die ein privater Telekommunikationsanbieter Leitungen legen wollte, wogegen sich die Bahn mit immer neuen Argumenten jahrelang gesperrt hat. Das darf nicht sein. Daher sieht das neue Gesetz konkrete Regelungen und auch eine Streitbeilegungsstelle vor, damit es eben nicht jahrelange Verfahren gibt.
Wer soll denn für die nachträgliche Bestückung der Schächte mit Glasfaserkabeln zahlen?
Die Netzanbieter, die laut Gesetz einen Anspruch auf Nutzung der Kabelschächte - gegen ein Entgelt natürlich - erhalten. Die Netzanbieter werden auch mehr Informationsrechte über geplante Bauarbeiten bekommen. Sie haben einen Anspruch, sich dort dranzuhängen und müssen die Mehrkosten tragen. Die betragen aber nur einen Bruchteil dessen, was auf sie zukommen würde, wenn sie selber bauen müssten.
Der Anspruch auf Mitnutzung trifft sicher nicht überall auf Begeisterung...
Damit ist zu rechnen. Techniker hassen es, wenn andere Techniker in ihre Infrastruktur reinfummeln. Aber es ist Aufgabe der Politik, Spielregeln festzulegen, an die sich dann auch alle halten. Gleichwohl wird es auch in Zukunft Gründe geben, wodurch eine Mitnutzung abgelehnt werden kann. Darüber werden wir im Gesetzgebungsverfahren sprechen müssen. Der Regelfall muss aber sein: Mitnutzung ist erlaubt.
Wer künftig Straßen baut soll laut dem Gesetz verpflichtet werden, Glasfaserkabel mitzuverlegen. Die Länder fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben...
Beim Bau einer Landstraße muss das Glasfaserkabel mitverlegt werden. Irgendwann wird es in jedem Falle gebraucht. Das wissen auch Länder und Kommunen, die sich ja oft genug bei uns über eine schlechte Internetversorgung beklagen. Der Anteil der Kosten für die Glasfaserverlegung ist bei solch einer Baumaßnahme im Grunde vernachlässigbar. Außerdem gibt es ja das Förderprogramm, bei dem von den 2,7 Milliarden 2,1 Milliarden vom Bund kommen.
Der Gesetzentwurf bezieht sich explizit auf den Ausbau des Glasfasernetzes. Immer wieder ist aber die Rede davon, dass es einen Technologiemix braucht, um flächendeckend für schnelles Internet sorgen zu können. Worauf muss aus Ihrer Sicht der Fokus gerichtet werden?
Man braucht das Glasfasernetz als Rückgrat für die gesamte Infrastruktur. Beim 5G-Netzwerk, der nächsten Generation der sehr schnellen Mobilfunksender, braucht man für jeden der Sender ein Glasfaserkabel, an das er angeschlossen werden kann. Der schnelle Mast hilft nichts, wenn in der Erde Kupferkabel liegen. So schafft man Bandbreiten von 1.000 Mbit/s und mehr. Man schafft aber vor allem auch ein Internet ohne Verzögerung, was für Anwendungen wie Connected Car von Bedeutung ist.
Wenn die Bandbreiten sich tatsächlich so entwickeln - verliert das Thema Netzneutralität, das ja auch irgendwie immer mit Engpässen und Bevorzugungen zu tun hat, seine Relevanz?
Nein, denn irgendeinen Engpass wird es immer geben. Wir haben uns auf europäischer Ebene sehr für eine gemeinsame Regelung eingesetzt. Wir wollen ja davon wegkommen, dass in allen 28 Ländern unterschiedliche Regelungen gelten. Sonst bekommen wir nie Start-ups auf den Markt, die mit Google und Facebook konkurrieren können. Wir brauchen den europäischen digitalen Binnenmarkt, der nur noch ein Datenschutzrecht für alle Mitgliedstaaten kennt, nur eine Netzneutralitätsregelung. Die Idee der Grünen, jetzt ein nationales Gesetz zur Netzneutralität zu machen, ist deshalb eine verrückte Idee. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie das fordern würden, wären sie in der Regierung.
Neben Netzausbau und Netzneutralität ist auch E-Government ein wichtiges Thema - ebenso wie die Frage, wie deutsche Klein-und Mittelständler für Industrie 4.0. fitgemacht werden können. In beiden Bereichen gibt es in Deutschland Nachholbedarf, oder nicht?
Was die Digitalisierung der Verwaltung angeht, ist das richtig. Wir hängen da im europäischen Bereich hinterher, was auch mit übertriebenem Datenschutz zusammenhängt. Zum Beispiel beim elektronischen Personalausweis. Da werden Sie aus Datenschutzgründen erst mal gefragt, ob Sie daran teilnehmen möchten. Und wenn Sie Pech haben, rät Ihnen das Bürgeramt noch deutlich davon ab. Man kann aber keine sinnvollen Anwendungen ermöglichen, wenn kaum jemand dabei mitmacht. Ähnlich ist es bei der De-Mail. Die müsste jeder bekommen, der eine E-Mail-Adresse hat. Ansonsten nutzen es nur die Technikinteressierten. Und das reicht nicht.
Wie sieht es mit dem deutschen Mittelstand - dem Rückgrat der deutschen Industrie - in Sachen Digitalisierung aus? Da gibt es nicht wenige, die dem ablehnend gegenüberstehen. Droht Deutschland dadurch in Zukunft ein Wettbewerbsnachteil?
Es gibt bei den Mittelständlern solche und solche. Es gibt den Dachdecker, der sich eine Drohne anschafft und den Kunden so auf Mängel seines Dachs hinweist - und das ist kein Einzelfall. Gleichzeitig gibt es aber auch ältere Unternehmensinhaber, die nicht bereit sind, sich umzustellen. Die kann man auch gesetzlich nicht dazu zwingen. Es wird versucht, ein Bewusstsein für die Problematik zu wecken. Das tut die Kanzlerin, das tun die Industrie- und Handelskammern. Selbst Facebook bietet Schulungen an. Es wird aber so sein, dass einzelne Unternehmen aus diesem Grund vom Markt verschwinden werden. Dafür kommen dann neue - diese Entwicklung gab es schon immer.
Die Neuen - das sind oftmals innovative Start-ups. Deren Marktchancen zu verbessern ist auch Ziel der digitalen Agenda. In den vergangenen Jahren war dies aber nicht sonderlich erfolgreich...
Da passiert jetzt aber sehr viel. Für Start-ups werden fast drei Milliarden Euro an Wagniskapital zur Verfügung gestellt. Die KfW hat ein großes Programm aufgelegt. Es gibt ein Programm mit dem europäischen Investitionsfonds für die Wachstumsphase im Umfang von einer Milliarde. Da wurde viel getan, mit dem Ergebnis, dass wir in Sachen Wagniskapital für Start-ups heute die Nummer eins in Europa sind. Darauf kann man stolz sein.
(hau/17.05.2016)