Debatte über Petitionen zu Hartz-IV-Sanktionen
Die Forderung nach Abschaffung von Sanktionen und Leistungseinschränkungen beim Arbeitslosengeld II (ALG II) steht im Mittelpunkt einer einstündigen Debatte am Freitag, 29. April 2016, ab 11.10 Uhr. Grundlage dafür ist aber weder ein Antrag der Bundestagsfraktionen noch ein Gesetzentwurf der Bundesregierung. Thematisiert werden die ALG-II-Sanktionen („Hartz-IV-Sanktionen“) durch eine Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (18/8092), der sich mit den Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion für den Abschluss der insgesamt 103 in diese Richtung gehenden Petitionsverfahren ausspricht und damit gegen eine Weiterleitung an die Bundesregierung.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Plenardebatte auf Betreiben der Linken
Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen plädieren hingegen für eine Überweisung „zur Berücksichtigung“ - und damit für das höchste Votum, das dem Petitionsausschuss zur Verfügung steht. Auf Betreiben der Linksfraktion wird die Beschlussempfehlung nun im Plenum debattiert.
Die sogenannte Leitpetition zu dem Thema, die zuerst eingegangen ist und der die 102 themengleichen Petitionen „angehangen“ sind, stammt von Inge Hannemann aus Hamburg und wurde im März 2014 durch den Petitionsausschuss öffentlich behandelt, da die Eingabe das dafür nötige Quorum an Unterschriften und Mitzeichnungen erreicht hatte.
„Erziehungsberechtigte für Volljährige“
Die Petentin spricht sich für die Abschaffung von Sanktionen und Leistungseinschränkungen beim ALG II aus. Menschen würden durch Leistungskürzungen in existenzielle Not - „bis hin zur Obdachlosigkeit“ – getrieben, sagte Hannemann während der Sitzung. „In einem so reichen Sozialstaat wie wir einer sind, darf so etwas nicht mehr passieren“, betonte sie. Zudem hätten Sanktionen ihren Erfahrungen nach auch keinen positiven Effekt.
Es sei ein Skandal, dass die Jobcenter in die Rolle von Erziehungsberechtigten für Volljährige gedrängt würden. Außerdem verstoße die Sanktionierung gegen die durch das Grundgesetz gewährte Sicherung des gesetzlich festgelegten soziokulturellen Existenzminimums, befand die Petentin und verwies auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts, in denen festgelegt worden sei, dass das Existenzminimum „zu jeder Zeit und in jedem Fall sichergestellt werden muss“.
Regierung lehnt Verzicht auf Sanktionen ab
Einen gänzlichen Verzicht auf Sanktionen beim ALG II lehnt die Bundesregierung jedoch ab, machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) in der Sitzung deutlich. Es gäbe dann keine Möglichkeit mehr, darauf hinzuwirken, dass diejenigen, die die Leistungen in Anspruch nehmen wollten, „auch zur Mitwirkung verpflichtet sind“, sagte sie. Es werde erwartet, dass Termine wahrgenommen und Unterlagen beigebracht werden. Ebenso, dass auf Angebote zur Weiterbildung reagiert wird und Vorschläge zur Beschäftigung angenommen werden, sagte die Staatssekretärin. „Unser Sozialgesetzbuch erwartet eigene Anstrengungen“, betonte sie.
Aus Sicht von Lösekrug-Möller verstoßen die Sanktionsregelungen auch weder gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums noch gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Auch die freie Wahl des Berufs sei gewährleistet und der Gleichheitsgrundsatz gewahrt. Das habe das Bundesverfassungsgericht bestätigt, sagte Lösekrug-Möller bei der damaligen Sitzung. „Unser Recht ist hier ganz seriös ausgefüllt.“ Dennoch, so die SPD-Politikerin weiter, sei die Bundesregierung ebenso wie das Parlament bereit, sich die Entwicklung permanent anzuschauen.
Der Bundestag stimmt wird auch über einen Änderungsantrag der Linken (18/8236) ab, eine der Petitionen der Bundesregierung „zur Berücksichtigung“ zu überweisen und den Bundestagsfraktionen zur Kenntnis zu geben. (hau/27.04.2016)