Fraktionen sprechen Opfern ihr Mitgefühl aus
Einmütig haben die Bundestagsfraktionen am Mittwoch, 13. Januar 2016, den blutigen Terroranschlag in Istanbul verurteilt und den elf Opfern, darunter auch zehn Deutsche, ihr Mitgefühl ausgesprochen. Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in einer auf Verlangen der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD anberaumten Aktuellen Stunde zur Lage im Nahen und Mittleren Osten: „Wir sind vereint mit den Angehörigen in der Trauer über die Opfer, vereint auch in Wut und Abscheu gegenüber dieser heimtückischen Tat.“ Deutschland, versprach er, werde sich nicht von Mord und Gewalt einschüchtern lassen, sondern „ganz im Gegenteil“ gemeinsam mit seinen Partnern dem Terror weiter entgegentreten.
CDU/CSU: Deutschland steht an der Seite seiner Partner
Auch der frühere Verteidigungsminister Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) betonte, „wir werden uns von diesem menschenverachtenden Terror nicht einschüchtern lassen“.
Deutschland werde sich weiter an der internationalen Koalition zur Bekämpfung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien beteiligen und stehe an der Seite seiner Partner.
Linke: Luftschläge gegen IS verfassungswidrig
Wolfgang Gehrcke (Die Linke), der ebenfalls von einem „furchtbaren Anschlag“ sprach, machte indes deutlich, dass er die Beteiligung Deutschlands an den Luftschlägen gegen den IS und der damit verbundenen Verletzung des syrischen Luftraumes „ohne UN-Beschluss und ohne Einladung der syrischen Regierung“ für „völlig inakzeptabel“ hält. Das Vorgehen sei verfassungs- und völkerrechtwidrig und diesen Vorwurf werde seine Fraktion auch vor dem Bundesverfassungsgericht vortragen.
Zudem kritisierte Gehrcke den Umgang der Bundesregierung mit Saudi-Arabien. Das Land sei „der Staat gewordene IS“. Als Reaktion auf die jüngste Massenhinrichtung von 47 Menschen, hätte die Regierung sofort klarstellen müssen, dass es künftig keine Waffen mehr in das Land exportieren werde.
Kritik am Besuch des Janadriyah-Kulturfestivals
Seine Fraktionskollegin Heike Hänsel kritisierte zudem heftig den von Steinmeier im Februar geplanten Besuch des Janadriyah-Kulturfestivals in der saudischen Hauptstadt Riad. Deutschland ist dort auch mit einem Pavillon vertreten.
Der Besuch des Festivals sei „kontraproduktiv“, urteilte Hänsel. So sei der Pavillon von Baden-Württemberg von zahlreichen Unternehmer gestaltet worden, die unter anderem teure Whirlpool-Anlagen anbieten und auch verkaufen wollten. „Ich frage mich, was das zu einer ernsthaften Friedenspolitik in der Region beiträgt“, sagte Hänsel, die Steinmeier aufforderte, seinen Besuch abzusagen.
Grüne: Steinmeier-Besuch suggeriert Normalität
Auch Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Teilnahme des deutschen Außenministers an dem Kulturfestival. „Wir wissen, dass der Chefdiplomat Deutschlands mit den Schurken der Welt reden muss“, betonte Nouripour.
Daher sei es auch gut, dass Steinmeier nach Saudi-Arabien fahre. Den Besuch auf dem Festival sollte er jedoch absagen. Er suggeriere in diesen Zeiten eine falsche Normalität.
SPD: Syrien-Konflikt ohne Saudi-Arabien nicht zu lösen
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, verteidigte die Reise Steinmeiers hingegen. Der Anschlag von Istanbul zeige einmal mehr, wie wichtig es sei, Kontakte „nicht nur zu unseren Freunden“ aufrechtzuerhalten und die Gesprächsfähigkeit in der Region zu verbessern. „Ich teile die Kritik an Saudi-Arabien“, stellte Annen klar. Aber das Janadriyah-Festival sei die einzige kulturelle Veranstaltung in ganz Saudi-Arabien und ein vorsichtiger, sehr langsamer Schritt des Landes in Richtung Moderne.
Deutschland präsentiere in seinem Pavillon die Arbeit des Bundestages und seine demokratische Kultur. „Und das soll ein Außenminister nicht besuchen dürfen?“, fragte Annen empört. „Ja, wo leben wir denn!“ Er betonte, dass der Syrien-Konflikt ohne Saudi-Arabien nicht zu lösen sei. Gleiches gelte für den Iran, in dem in den vergangenen Jahren auch hunderte Menschen hingerichtet worden seien.
Union warnt vor Ende des Dialogs mit Riad
Auch Franz Josef Jung warnte vor einem Ende der Gespräche mit Riad: „Wer jetzt fordert, die Handelsbeziehungen und den Dialog abzubrechen, verliert an Einfluss, und das wäre eine falsche Politik, gerade jetzt im Hinblick auf eine friedliche Perspektive in der Region“, sagte der CDU-Abgeordnete.
„Gespräche müssen fortgesetzt werden“
Außenminister Steinmeier betonte, die Gespräche müssten sowohl mit dem Iran als auch mit Saudi-Arabien fortgesetzt werden, um die Region zu stabilisieren und den Syrien-Konflikt zu lösen. „Natürlich dürfen wir nicht wegschauen, wenn es um Menschenrechte, erst recht um Hinrichtungen und um Extremismus geht“, stellt er klar.
Aber „Reisen absagen, dicht machen, Belehrungen über die heimischen Medien erteilen“, sei der falsche Weg. „Außenpolitik funktioniert nicht aus der Sofaecke heraus mit der Fernbedienung in der Hand“, betonte Steinmeier. Wer etwas bewirken wolle, müsse „raus in die Welt“ und auch mit schwierigen Konfliktparteien reden.
Außenminister in Sorge vor erneuter Eskalation
Steinmeier verband seine Rede aber auch mit einer klaren Forderung in Richtung Riad und Teheran: Er erwarte von beiden Staaten, dass sie sich weiter auf die Wiener Verhandlungen über ein Ende des Syrien-Konfliktes einlassen und nicht versuchen, mit bilateralen Eskalationen, das Erreichte wieder zu torpedieren.
Die erneute Eskalation zwischen den beiden zentralen Akteuren in Nahen Osten bezeichnete Steinmeier als „brandgefährlich“. Sie drohe „alles zu vernichten, was wir im letzten Jahr in Wien auf den Weg gebracht haben“. (joh/13.01.2016)