Ghetto-Renten sollen neu geregelt werden
Der Deutsche Bundestag will schnell die Regelungen zu den Ghetto-Renten ändern und so Betroffenen helfen. Damit, so sind sich die Fraktionen einig, werde der Wille des Gesetzgebers endlich auch in der Praxis umgesetzt. Das wurde in der Debatte am Freitag, 9. Mai 2014, deutlich. Parlamentarische Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) sagte, die Menschen, die in den Ghettos arbeiten mussten, hätten „unsäglich leiden müssen“.
Lösekrug-Möller: Schicksale nicht vergessen
Die bisherige Regelung, dass Ghetto-Renten rückwirkend erst ab 2005 gezahlt wurden, sei als Unrecht empfunden worden. Der Gesetzentwurf (18/1308) von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) solle es möglich machen, dass die Renten schon ab 1. Juli 1997 gezahlt werden.
Betroffene sollten selbst entscheiden, ob ihre Renten neu festgestellt und gezahlt werden sollen oder ob sie eine einmalige Nachzahlung wollen. Man könne das große Leid der Betroffenen „niemals gutmachen“, aber dafür sorgen, dass die Schicksale nicht vergessen würden.
Koalition: Probleme waren nie im Sinne des Gesetzgebers
Für die SPD sagte Kerstin Griese, sie freue sich über die „große Einmütigkeit“, in der der Bundestag über das Thema diskutiere. Das Gesetz müsse nun schnell beschlossen werden. Peter Weiß (CDU/CSU) betonte, als der Deutsche Bundestag 2002 beschlossen habe, Rentenansprüche für Menschen einzuführen, die in Ghettos gearbeitet hätten, sei das eine richtige und gute Entscheidung gewesen.
Darauf, wie das Vorhaben dann umgesetzt worden sei, könne man allerdings „weniger stolz“ sein. Die deutschen Rentenversicherungen hätten das Gesetz „so eng“ interpretiert, dass 90 Prozent der Anträge abgelehnt worden seien – dies habe nicht der Absicht der Parlamentarier entsprochen. Die „wegweisende Entscheidung“ des Bundessozialgerichts 2009 habe dann das Gesetz in der Praxis gängiger gemacht, die Besonderheit des deutschen Sozialrechts aber, dass Sozialleistungen nur für vier Jahre rückwirkend genehmigt werden können, habe dann für neue Probleme gesorgt.
Das „subjektive Gerechtigkeitsempfinden“ der Betroffen sei dadurch „massiv gestört“ gewesen. Die neue Regelung werde hoffentlich dafür sorgen, dass dieses Gefühl der Ungerechtigkeit nun der Vergangenheit angehöre, sagte Weiß.
Linke ist angenehm überrascht
Lob gab es für den Entwurf auch von der Opposition: Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Ulla Jelpke, sagte, damit werde eine Ungerechtigkeit „endlich beendet“. Es sei „demütigend“ für die Betroffenen gewesen, dass eine so hohe Zahl von Anträgen zunächst abgelehnt worden sei. Dass die Große Koalition beabsichtige, auch Ghettos zu berücksichtigen, die nicht von den Nationalsozialisten direkt, sondern von ihren Komplizen beaufsichtigt worden seien, sei wichtig.
Sie sei „angenehm überrascht“ davon, so Jelpke, dass Arbeitsministerin Nahles ihrer Verantwortung in dieser Frage in so großem Umfang nachkomme. Sie plädierte dafür, auch über die Überlebenden der polnischen Ghettos zu sprechen. Diese hätten bisher keine Renten erhalten, weil komplizierte Regelungen des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens das bislang unmöglich gemacht hätten. Man dürfe „dieses spezielle Unrecht“ nicht hinnehmen.
Grüne: Korrektur skandalöser Verwaltungspraxis
Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/die Grünen, dankte der SPD, dass sie die Regelung durchgesetzt habe. Man habe es in der Vergangenheit mit einer „skandalösen Verwaltungspraxis“ zu tun gehabt, der paradigmatisch gewesen sei mit der Praxis des deutschen Entschädigungsrechts. Es sei gut, dass dies nun korrigiert werde.
Beck forderte, auch die Hinterbliebenen der verstorbenen rentenberechtigten Ghetto-Arbeiter zu berücksichtigen, die zu Lebzeiten keinen Antrag auf eine Rente gestellt hätten, weil sie keine Aussichten auf Erfolg gesehen hätten. Es handele sich dabei um nur wenige Menschen, denen man ohne größeren Aufwand helfen könne. (suk/09.05.2014)