Zwangsheirat wird eigenständiger Straftatbestand
Künftig wird es im Strafgesetzbuch einen eigenständigen Straftatbestand gegen Zwangsheirat geben. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedete der Bundestag am Donnerstag, 17. März 2011, den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ (17/4401) in einer auf Antrag von Union und FDP geänderten Fassung (17/5093). Neben dem neuen Straftatbestand gibt es nun ein eigenständiges Wiederkehrrechts für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen. Zudem wird die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, von zwei auf drei Jahre erhöht.
„Ansätze für solide Integrationspolitik“
Das Gesetz biete „pragmatische Ansätze für eine solide Integrationspolitik“, sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu Beginn der Debatte. Der darin zum Ausdruck kommende Grundsatz des Förderns und Forderns zeige, „wir lassen Migranten nicht allein, fordern aber deren aktives Bemühen um Integration“.
Dass erbrachte Integrationsleistungen belohnt würden, zeige laut Friedrich die auf Antrag der Koalitionsfraktionen eingebrachte Änderung, wonach „geduldete Jugendliche bei guter Integration einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten“.
Gleichzeitig müssten jedoch auch Verstöße gegen die Integrationsverpflichtungen stärker sanktioniert werden, machte er deutlich. Wer an entsprechenden Kursen nicht erfolgreich teilnehme, erhalte lediglich für ein Jahr eine Aufenthaltserlaubnis. Das Erlernen der deutschen Sprache sei der Schlüssel zu einer erfolgreichen Integration, sagte Friedrich. Wer dies nicht einfordere, schade schlussendlich den Migranten selbst.
SPD: Trippelschritte unter großen Überschriften
Der Gesetzentwurf biete „Trippelschritte unter großen Überschriften“ bemängelte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit. Zugleich kritisierte er den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens. Es sei nicht möglich gewesen, die Ergebnisse der „wirklich guten Anhörung“ vom vergangenen Montag einzuarbeiten.
Er könne auch nicht erkennen, warum es die Koalition mit dem Gesetzentwurf „so furchtbar eilig hat“. Inhaltlich bliebe der Entwurf hinter den Erwartungen zurück, weil zwar den Opfern von Zwangsheirat durch ein verbessertes Rückkehrrecht geholfen werden solle, was Ziel aller Fraktionen sei. Zugleich solel dies aber dies nur bei einer positiven Integrationsprognose möglich sein. „Das leuchtet mir nicht ein“, sagte Veit.
Gleiches gelte für die Altfallregelung. Dass die Erteilung eines Aufenthaltsrechtes nicht mehr auf einen bestimmten Stichtag bezogen sein soll, sei zu begrüßen, befand Veit. „Aber warum beschränken Sie die Regelung dann auf Antragsteller im Alter zwischen 15 und 21 Jahren“, fragte er in Richtung Koalition. So könne es nicht gelingen, das Institut der Kettenduldung zu beenden.
FDP: Multikultiromantik hilft nicht weiter
Mit dem Gesetz schaffe man die Abkehr von der ideologischen Integrationspolitik, sagte der FDP-Abgeordnete Hartfrid Wolff. „Die Multikultiromantik hilft nicht weiter“, urteilte er. Schwarz-Gelb sorge nun dafür, dass sich die Chancen der Migranten verbesserten.
Zugleich betone der Gesetzentwurf die Bedeutung des Opferschutzes. Daher habe man das Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsheirat beschlossen. „Bisher ist das Aufenthaltsrecht nach sechsmonatiger Abwesenheit automatisch erloschen“, erinnerte Wolff.
Neben der Lockerung der Residenzpflicht, beinhalte das Gesetz mit der Erhöhung der Mindestbestandzeit der Ehe von zwei auf drei Jahre auch eine Maßnahme gegen Scheinehen. Der Vorwurf, damit würden Frauen gezwungen ein Jahr länger mit einem eventuell gewalttätigen Partner leben zu müssen, sei nicht zutreffend, sagte Wolff. Für diese Fälle gebe es Härtefallregelungen, die auch großzügig gehandhabt werden sollten.
Linke: Absage an humane Integrationspolitik
Der Gesetzentwurf sei „im Schweinsgalopp“ durchgezogen worden, obwohl fünf von sieben Sachverständigen bei der Anhörung „grundlegende Kritik“ daran geäußert hätten, sagte Ulla Jelpke (Die Linke). Der Koalition warf sie „rechtspopulistischen Stimmenfang vor den Landtagswahlen Ende März“ vor. Der Gesetzentwurf sei aus Sicht ihrer Fraktion ein „Dokument der Absage an eine offene und humane Integrationspolitik“.
Mit der Schaffung des Straftatbestandes Zwangsheirat betreibe man eine reine Symbolpolitik. Es sei „reine Heuchelei“, wenn die Koalition behaupte, sich für die betroffenen Frauen einzusetzen. Das zeige sich insbesondere an der Ehebestandverlängerung als Maßnahme gegen Scheinehen, über deren Zahl es noch nicht einmal empirische Untersuchungen gebe.
Grüne: Frauenfeindliche Symbolpolitik
Die Ehebestandverlängerung bezeichnete der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler als „schäbig“. Opfer von Zwangsehen müssten sich nun ein Jahr länger prügeln lassen, sagte er. Die angesprochene Härtefallregelung greife nicht, so Winkler. Dafür seien die aufgebauten Hürden „viel zu hoch“.
Mit dem Gesetz werde eine frauenfeindliche Symbolpolitik betrieben, die „weder christlich noch liberal“ sei, urteilte er. Auch die Forderung nach einer positiven Integrationsprognose für die Gewährung des Rückkehrrechtes widerspräche der Zielsetzung des Opferschutzes. Zudem fehle es auch an Regelungen für Kinder von Zwangsverheirateten.
CDU/CSU: Jeder Jugendliche erhält Chance
SPD und Grüne wären stolz gewesen, hätten sie eine solche Regelung hinbekommen, befand der Unionsabgeordnete Reinhard Grindel. „Sie hätten sich in einer rot-grünen Sänfte durch Kreuzberg tragen lassen“, sagte er. Der Gesetzentwurf, so Grindel, sorge nicht nur für ein Ende der Stichtagsregelung, sondern auch dafür, „dass Jugendliche nicht mehr vom Schicksal ihrer Eltern abhängig sind“.
In den Zeiten des demografischen Wandels werde jeder Jugendliche gebraucht und er erhalte seine Chance. Mit dem neuen Aufenthaltsrecht stärke die Koalition zudem die Integrationskurse. Die Ausländerbehörden müssten nun konsequent überprüfen, ob ein Neuzuwanderer seiner Pflicht zum Besuch der Kurse auch nachkommt. Wenn dies nicht der Fall sei, werde die Aufenthaltserlaubnis nur um ein Jahr verlängert, sagte Grindel.
Im Anschluss an die Debatte lehnte der Bundestag einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion „für ein erweitertes Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz“ (17/4197) und einen weiteren Gesetzentwurf der Sozialdemokraten zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (17/207) ab. Auch einem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (17/1557) stimmten die Abgeordneten mehrheitlich ebenso wenig zu wie Anträgen der Linksfraktion (17/4681, 17/2325) sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/1571, 17/2491, 17/3065). (hau)