Altmaier sichert weiten Ermessensspielraum zu
Um sich der Frage zu nähern, wo Deutschlands radioaktiver Atommüll gelagert werden soll, kam die Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe am Montag, 30. Juni 2014, erstmals nach ihrer konstituierenden Sitzung im Mai zusammen. Auf Grundlage des Standortauswahlgesetzes hat das 33-köpfige Gremium aus Vertretern von Wissenschaft und gesellschaftlichen Gruppen, Mitgliedern von Landesregierungen und Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Auftrag, bis 2016 unter Einbeziehung der Öffentlichkeit Kriterien für ein Endlager zu entwickeln.
Geschäftsordnung beschlossen
Geleitet wurde die Sitzung von dem ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Müller, der abwechselnd mit der ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Ursula Heinen-Esser den Vorsitz inne hat.
Stimmberechtigt im Hinblick auf die Beschlussfassung über den Abschlussbericht sind in der Kommission ausschließlich die Vertreter der Wissenschaft und der Zivilgesellsschaft. Über alle anderen Fragen können alle Mitglieder der Kommission mit einfacher Mehrheit entscheiden.
Viel Raum nahm die Beschlussfassung über die Geschäftsordnung ein. Angenommene Änderungsanträge bezogen sich unter anderem auf die Herstellung von Öffentlichkeit.
Wortprotokolle angeregt
Im Zuge der Beratung wurde der Wunsch geäußert, von den Sitzungen der Kommission Wortprotokolle fertigen zu lassen. Es solle geprüft werden, ob das möglich sei. Auch die Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Beteiligung von Bürgern wurde diskutiert.
Altmaier sichert weiten Ermessensspielraum zu
Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) leitete eine Diskussion über ein „Gemeinsames Leitbild für die sichere Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe nach dem Beschluss zum Ausstieg aus der Atomenergie“ ein. Der „Ausgangspunkt war der Atomausstieg“, erinnerte sich der ehemalige Umweltminister. Nun sei es „notwendig, ein Verfahren zu finden, das den Konsens zum Atomausstieg auf die Endlagersuche überträgt“.
Der zu diesem Zweck eingerichteten Kommission sicherte er einen „weiten Ermessensspielraum, was sie behandelt“, zu. Zugleich forderte er die 33 Mitglieder auf, sich auf „große und entscheidende Fragen“ zu beschränken, die innerhalb der vereinbarten zwei Jahre auch bearbeitet werden könnten. Ziel sei, ein „Endlager identifizieren und in einigen Jahren oder Jahrzehnten auch bauen zu können“.
Linke: Neue Situation durch Stiftungsvorschlag
Der Physiker Prof. Dr. Bruno Thomauske bezweifelte, dass angesichts des verspäteten Starts der Kommission alle Fragen bis Ende 2015 in gebotener Gründlichkeit beantwortbar seien. Altmaier sicherte zu, die zwei Jahre sollten ab jetzt „unverkürzt zur Verfügung stehen“.
Die Linke merkte an, in den vergangenen Monaten sei eine „völlig neue Situation durch den Vorschlag der Konzerne entstanden, eine Stiftung für die Beseitigung des Atommülls zu gründen“.
Modelle der Schweiz, Frankreichs und Skandinaviens im Blick
Jörg Sommer (Deutsche Umweltstiftung) fragte, ob ein „Konsens über den Atomausstieg wirklich erzielt“ worden sei. Altmaier erklärte dazu, es solle dabei bleiben, „für eine Zeit, die auch die Jüngeren im Bundestag noch erleben werden“. Ein längerer Zeitraum sei nie vorherzusehen.
Bei der Debatte über das Arbeitsprogramm forderten mehrere Vertreter, zunächst die Modelle der Schweiz, Frankreichs und Skandinaviens in den Blick zu nehmen.
„Nichts präjudizieren“
Ergänzend zur Tagesordnung erstattete der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, Bericht über den Stand des Bundesamtes für Kerntechnische Entsorgung (BfE), das laut Standortauswahlgesetz 2014 gegründet werden soll. Noch in diesem Jahr, so Flasbarth, müssten die ersten Stellen besetz werden.
Allerdings solle der Arbeit der Kommission nicht vorgegriffen und nichts „präjudiziert“ werden. Auch der Standort Berlin sei zunächst „provisorisch“; „im Lichte der weiteren Diskussionen“ sollten auch „weitere Ortschaften, die sich beworben haben“, auf ihre Geeignetheit überprüft werden.
„Jede Behördenstruktur hinterfragen“
Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) reichte das nicht: Es sei „zugesichert worden, dass keine Abteilung aufgebaut wird, die Fakten schafft“.
Auch Dr. Matthias Miersch (SPD) forderte, die Kommission müsse „jede Behördenstruktur auch hinterfragen können“ und werde sich auch vor ihrem Abschlussbericht während der laufenden Arbeit „jegliche Freiheit erbitten, sich einzumischen“.
Sitzungen in der Regel öffentlich und im Live-Stream
Das für die Kommissionsarbeit zentrale Konsensprinzip wurde an früher Stelle in der Geschäftsordnung verankert.
Auf Antrag von Stefan Wenzel, dem grünen Umweltminister aus Niedersachsen, wurde präzisiert, dass die Sitzungen in der Regel öffentlich sind und zusätzlich ein Live-Stream dauerhaft im Internet bereitgestellt wird. Auch soll die Öffentlichkeit durch Diskussionen und Veranstaltungen der Kommission außerhalb des Deutschen Bundestages einbezogen werden. (jgo/30.06.2014)